Krisensitzung
Es trug sich nach der Besetzung der großen Felswüste von Erkenfara zu, dass Narajana mit sorgenvoller Miene seinen Palast durcheilte. Reisende Diplomaten, die »Geier Northeims«, wie sich Kavonar ausdrückte, hatten als wandernde Unglücksboten sämtlichen Herrscherhäusern Erkenfaras schlechte Aussichten in Aussicht gestellt. Immer noch verkündeten die Wandervögel von einem großen Reich im Norden, dass weitere Begierden hatte. Die eigenen Begierden kennend, reagierte Narajana blitzartig: es konnte nur Rhûn sein, das dem bisherigen Dachschaden noch einen größeren beifügen wollte.
Narajana verkündete die sofortige Mobilisierung aller Berater des Reiches mit dem dringenden Aufruf zu einer Krisensitzung wegen Gefährdung des Reiches von außen. Die Details wurden als »streng geheim« nicht mitgeteilt. Dieser, von Eilboten überbrachte Aufruf brachte Kavonar auf Trab, während sich Helvegr mit »sofort einzuleitenden Gegenmaßnahme, die Helvegr beaufsichtigen muss«, entschuldigen ließ. So saßen auch bereits zwei Wochen nach Nas Aufruf dieser und Kavonar zusammen.
Narajana wirkte enthusiastisch. »Das System mit den dressierten Hähnen hat sich bewährt! Keine Kosten und Mühen habe ich gescheut, um diesen verdammten Viechern Gehorsam gegenüber ihrem Landesherrn beizubringen und sie als Eilboten auszubilden. So schnell hatte ich noch nie eine Antwort erhalten, ganz zu schweigen, dass du schon hier bist.« Kavonar nickte geistesabwesend, während sich Narajana immer mehr ereiferte. »Mein Gedanke war richtig, reitende Boten sind einfach zu langsam. Die Eilhähne sind die bessere Lösung!« Kavonar nickte begeistert. »Eine gute Idee. Wann setzt Du die Vögel denn ein?« »Aber ich habe Dir die Botschaft von dieser Versammlung«, Narajana deutete mit einer allumfassenden Geste auf den leeren Saal, »doch auf eben diesem Wege zukommen lassen.« »Mir...ach so...?!« Nachdenkliches Schweigen folgte diesen Worten. »Das erklärt einiges. ich hatte mich schon gefragt, wie es sonst gelungen ist, die Post unter mein Essen zu bringen.« Der Becher Narajanas fiel klappernd um. »Was schaust Du denn so verwirrt? Du weißt selber, in dieser Jahreszeit ist Frischfleisch selten auf dem Speiseplan. Und vor kurzem habe ich bei einem frisch zubereiteten Hahn auf Stein gebissen, nach sich das Tier als Landeplatz meine Küche ausgesucht hatte.« »Und...!« Kavonar zuckte mit den Achseln. »Der Koch war schneller.« Narajana verdoppelte seine herkulische Gestalt, indem er tief einatmete. »Meinen geflügelten Boten hast Du vertilgt. Und das wagst Du, mit zu sagen.« Kavonar richtete sich auf und erhob seine Stimme »Ich hätte mir die Zähne ausbeißen können, eine Blinddarmverrenkung an dieser Steinrolle holen können, wenn nicht schlimmeres. Ich könnte meinen, der Stadtherr sollte auf diese Weise gemeuchelt werden!« Narajana sank zerknirscht in sich zusammen. »An die Gelegenheit hatte ich nicht gedacht. Entschuldige. - Wir müssen uns etwas einfallen lassen.« »Wegen dem Hähnchen?« »Nein, wegen den Imperatorsgelüsten von Rhûn.« »Ach, lass doch. Da kräht doch kein Hahn mehr danach.« »Jetzt nicht mehr, da hast Du Recht.«
Narajana durchwanderte den Thronsaal mit großen Schritten. »Da waren so ein paar Hausierer bei mir von der Bittstellervereinigung mit Diplomatentasche und Informationsüberschuss. Stelle Dir vor, Rhûn will in einem Blitzkrieg Inish Ailthe erobern. Was tun wir?« Kavonar eilte hinter dem Herrscher her. »Die Diplomaten aufhängen, damit sich es nicht noch weiter herumtratschen und die Leute beunruhigen!« Der Herrscher winkte huldvoll ab und beschleunigte nervös sein Tempo. »Habe ich schon, diesen Punkt können wir von der Tagesordnung streichen.« Kavonar fiel leichten Trab. »Wenn die Jungens unter ihrem König...« »Hochkönig!« »...Hochkönig so helle sind und einen Blitzkrieg planen, wieso pfeifen es dann vorher die Hähne aus dem Essen? Wenn es schon diese Nichtnutze von Diplomaten wissen, ist der ganze Plan schon nichts wert.« Narajana blieb wie angewurzelt stehen und warf einen Arm in die Luft. »Ich hab’s?« Kavonar, der auf dem spiegelblank polierten Steinboden nicht schnell genug anhalten konnte, prallte auf den Herrscher und schob ihn zwischen den Wachen hindurch aus dem Thronsaal. »Was denn, wo denn. Wo hat’s Dich?« Mit einem vernichtenden Blick, aus dem eine ganze Fluchserie des Konzils sprach, schritt Narajana wieder in den Saal.
»Ich überlasse alles Dir und Helvegr. Gehe zu ihm und besänftige seinen Eifer.« »Wo ist denn unser kleiner Militarist?« »In Cathair-na Mart, wo er bereits die Truppen einschifft.« Kavonar grübelte, während Narajana vor sich hin seufzte. »Aber wir haben doch keine Flotte für so viele Truppen, wie wir zur Verteidigung der Insel brauchen?!« »Das weißt Du, aber bist Du Dir sicher, dass es auch Helvegr weiß?«
