Die Entscheidung des Herrschers
Erzählt von Falcoix Zork Kilmarnock
Wind fegte durch das Zelt des Herrschers. Ruhig saß er da, auf seinem Thron aus Fellen und Schwertern von besiegten Feinden und sann über das Geschick und das Wohl seines Volkes. Er war so tief in Gedanken verloren, dass er nicht einmal die Fliegen wahrnahm, die um sein Haupt kreisten. Für den späten Nachmittag hatte er die Clanführer zu sich befohlen um die Vorgänge im Reich zu besprechen. Der Zelteingang teilte sich und eine der Wachen trug dem Herrscher Teachdair vor, dass Ophidarix Pwygwyll Llaphroigh, der alte Berater ihn zu sprechen wünschte. Die einzigste Regung des Herrschers war ein hochziehen der Augenbrauen. "Schickt ihn herein," war die Antwort, die die Wache auf ihr Anliegen erhielt. Die Wache verließ nach einer tiefen Verbeugung das Zelt.
Vor dem Zelt war nun das Wechseln einiger Worte zu vernehmen. Er blickte sich kurz nach hinten um, als wollte er sich vergewissern, dass seine Leibwache noch da ist. Er ließ seine Blicke über die beiden Männer wandern, die mit verschränkten Armen hinter ihm und seinem Thron standen. Seine Blicke hielten an den ausdruckslosen und gleichmütigen Gesichtern inne. Beide Männer gehörten zu den Gesichtslosen, seiner persönlichen Leibwache. Er nickte ihnen kurz zu und wandte sich wieder dem Zelteingang zu.
In diesem Moment betrat Pwygwyll das Zelt und begrüßte nach einer kurzen Verbeugung den Herrscher mit der Begrüßung der Krieger, wo jeder das Handgelenk des Gegenübers ergreift. "Seid gegrüßt, mein Herrscher," sprach Pygwyll und Teachdair quittierte die Begrüßung mit einem leichten Lächeln. "Was liegt auf Deinem Herzen, Pwygwyll?", fragte Teachdair. Pwygwyll begann sogleich ihm von den Geschehnissen im Reich zu berichten, bei der Erwähnung von Unruhen an der Küste horchte Teachdair kurz auf. Nachdem Pwygwyll mit seinen Berichten geendet hatte, sprach der Herrscher: "Pwygwyll, Du hast mir gut und lange gedient. Es warten jedoch andere Aufgaben auf dich. Ich habe entschieden, dass Baloric Tan'dora vom Clan Wyvern deine Aufgaben hier übernimmt. Geh zurück zu Deinem Volk und mehre das Wissen. Ich werde dich rufen lassen, sobald ich mehr über deine neuen Aufgaben weiß." In Erwartung einer Entgegnung hielt Teachdair seinen Kopf leicht schräg. Pwygwyll verbeugte sich jedoch nur kurz und machte sich daran das Zelt zu verlassen. "Pwygwyll, diese Schlange," dachte der Herrscher bei sich, "natürlich hat er auch das schon gewusst." Der Herrscher ließ sich wieder zurück in seinen Thron sinken.
Wenige Minuten später ließ er nach seinem neuem Berater Baloric Tan'dora schicken. Baloric und Teachdair unterhielten sich lange über die Geschehnisse im Reich. Schließlich fragte Teachdair seinen Berater, welchen seiner Clans er zur Bekämpfung der Unruhen schicken sollte.
Darauf hatte Baloric auch keine Antwort, er warnte den Herrscher nur davor, keinen der Clans zu bevorzugen. Es waren harte Zeiten im Reich Eoganachta. Der lange Frieden machte die Männer reizbar. Nach einiger Zeit des Nachdenkens sprach Teachdair: "Baloric, gehe zu den Clanführern und berichte ihnen von den Unruhen im Süden. Teile ihnen mit, dass sie um die Ehre den Aufstand niederzuschlagen und den Titel des neuen Stadtherren zu führen kämpfen müssen. Wer die Ehre dieses Titels und die Ländereien seinem Clan hinzufügen möchte, der soll sich in einer Woche an meinem Zelt einfinden. Teile ihnen weiterhin mit, dass ich diese Ehrenkämpfe zum Anlass nehmen werde, die Führer der anderen Reiche einzuladen, um mich mit ihnen über die Geschehnisse außerhalb meines Reiches zu besprechen." Baldoric nickte und verließ nach einer Verbeugung das Zelt des Herrschers. Er schickte Boten in die Reiche um die Einladungen des Herrschers zu versenden. Im Anschluss besprach er sich mit den Führern der Clans, die sich eingefunden hatten, um am Clansrat teilzunehmen. Er teilte ihnen alles mit, was der Herrscher ihm aufgetragen hatte. Nach dem Clansrat verabschiedeten sich die Führer der Clans und reisten zurück zu ihren Ländereien und Angelegenheiten.
Eine Woche später:
Schon früh am Morgen fanden sich die ersten Vertreter der anderen Reiche in der Hauptstadt von Eoganachta ein. Teachdair war verwundert über die schiere Menge an Adligen anderer Reiche, die seiner Einladung gefolgt waren. "Es müssen wohl ereignislose Tage sein," dachte er laut, "dass fast alle Reiche Ihre Abgesandten schicken." Er konnte sogar einige Elementare unter den Ankömmlingen ausmachen.
Er ließ nach seinem Berater schicken. Wenige Minuten später traf Baloric bei seinem Herrscher ein. "Baloric, berichte mir, wer von meinen Männern sich für den Kampf gemeldet hat," sprach der Herrscher. Baloric berichtete ihm, dass CORRIX Tachach un Hatt vom Clan Rabe, FALCOIX Zork Kilmarnock vom Clan Gerfalke und er selbst, SERPENTIX Baloric Tan'dora vom Clan Lindwurm sich um den Titel und um die Ehre den Aufstand bekämpfen zu dürfen streiten würden. Anerkennend lächelte der Herrscher. Teachdair machte sich auf, alle Gäste zu begrüßen und überließ die Vorbereitungen für den Wettkampf seinen Männern. Als es Zeit für den Beginn des Wettkampfes war, erläuterte er die Regeln und Disziplinen allen Gästen und bat die anwesenden Damen, ihm ihren Favoriten nach Abschluss des Wettkampfes zu nennen. Er wollte so gewährleisten, dass bei einem Gleichstand der Gewinner leichter zu ermitteln ist.
"Lasst die Kämpfe beginnen," rief Teachdair und erhob sich von seinem Thron. Der Wind trug die Stimme des Herrschers bis in den letzten Winkel der Arena. Teachdairs Bruder, Rowan war zum Leiter der Spiele berufen worden und er ließ die Wettkämpfe, nach dem Befehl des Herrschers sogleich beginnen. Rowan na`Droghit stellte die drei Teilnehmer CORRIX Tachach un Hatt vom Clan Rabe, FALCOIX Zork Kilmarnock vom Clan Gerfalke und SERPENTIX Baloric Tan'dora vom Clan Lindwurm den geladenen Gästen vor. "Wie befremdlich sein Aussehen auf die Gäste hier wirken muss," dachte Rowan. Zork´s Kopf war komplett weiß tätowiert, Ohren und Nase offensichtlich abgeschnitten und die Zähne angefeilt.
Jeder der Wettkämpfer hatte seine beste Kleidung und Waffen angelegt, um dem Herrscher zu demonstrieren, wie wichtig ihnen dieses Ehrenduell war. So war Tachach un Hatt prächtig anzusehen, gewandet in schwarz, seiner Wappenfarbe. Er hatte seine Armschienen angelegt und strich sich mit der Hand durch seinen geölten Bart. Scharf stachen seine blauen Augen aus seinem Gesicht heraus. Während er vorgestellt wurde, verzog er keine Miene. Zork Kilmarnock war mit einem traditionellem Kilt bekleidet, sein Oberkörper war bar jeder Kleidung. Mit verschränkten Armen stand er da, ein leises Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er vorgestellt wurde. Baloric Tan'dora schließlich, war in schwarze Gewänder gehüllt, sein Bart sauber gestutzt. Seinem gestähltem Körper und den vielen Narben war anzusehen, dass er schon viele Kämpfe überlebt hatte. Er reagierte mit einer tiefen Verbeugung auf seine Vorstellung.
Traditionell wird bei jedem Ehrenkampf in Eoganachta vor während und nach dem Kampf reichlich Blutpunsch getrunken. Sogleich wurden die ersten Krüge eingeschenkt, von Sklaven, die hastig auf einen Wink von Rowan herbeiliefen. Damit sollte die Konstitution jedes Teilnehmers geprüft werden.
Die erste Disziplin war das Axtwerfen. Die Teilnehmer stellten sich 10 Schritt vor dem Ziel auf. Auf ein Zeichen von Rowan na`Droghit warfen die Wettkämpfer jeweils 5 Äxte. Für einige Zeit war nur das Pfeifen der Äxte, während sie durch die Luft flogen und das anschließende satte, dumpfe Geräusch, als die Wurfäxte ihr Ziel trafen zu hören. In dieser Disziplin konnte sich keiner der Teilnehmer hervortun. Alle Beteiligten des Wettkampfes erreichten dasselbe Ergebnis.
Die Anwesenden Gäste der Reiche quittierten den Ausgang der Zurschaustellung der Kampfkunst der Eoganachta mit einem leichten Applaus.
Die zweite Disziplin, das Ausweichen vor einem Giftdolch, geführt vom Herrscher persönlich, verlief jedoch mit einem eindeutigen Ergebnis. Es wurde ruhig in der Arena, als sich der Herrscher und Baloric gegenüberstanden. Lange Zeit standen sie sich einfach so gegenüber und sahen sich in die Augen. Mit einem plötzlichen Schritt nach vorne stach der Herrscher Teachdair zu. Mit einer schnellen Drehung auf den Zehenspitzen wich Baloric dem sauber geführten Stich aus. Teachdair gratulierte Baloric zu seiner Schnelligkeit. Dann baute sich Zork vor dem Herrscher auf. Es wurde wieder still in der Arena, während Zork und Teachdair sich in die Augen sahen. Ohne erkennbaren Ansatz führte der Herrscher einen Stich auf die Körpermitte von Zork aus. Zork ließ sich auf die Knie fallen und schlug dem Herrscher den Dolch aus der Hand. Der Gesichtslose stand auf und der Herrscher nickte ihm zu. Jetzt war Tachach an der Reihe. Tachach und der Herrscher standen sich gegenüber. Die Sekunden schienen sich zu einer kleinen Ewigkeit zu dehnen. Der Dolch zuckte nach vorne, wie der Kopf einer Schlange. Tachach versuchte mit einem Ausfallschritt zur Seite dem Giftdolch auszuweichen. Für alle sichtbar ritzte die Spitze des Dolches seinen Hals. Ein Raunen ging durch die Menge. Tachach befühlte kurz seinen Hals und starrte dann auf das Blut, dass an seiner Hand klebte. Er lächelte und sagte: "Nur ein Kratzer, mein Herrscher," und trat einen Schritt zurück. Somit lag Tachach einen Punkt hinter Baloric und Zork zurück.
Leiser Applaus wogte durch die Arena, als sich die Wettkämpfer für die dritte Disziplin bereitmachten. Als erster war Baloric an der Reihe. Er packte den Baumstamm und schleuderte ihn nach kurzem Anlauf fünf Schritt weit. Als nächstes machte sich Tachach bereit. Er ergriff den Baumstamm und schleuderte ihn mit einem lauten Schrei ebenfalls fünf Schritt weit. Zuletzt war Zork an der Reihe. Er nahm sich den Stamm und nahm Anlauf. Beim Wurf stolperte er und schleuderte den Stamm nur drei Schritt weit. Damit lag Baloric jetzt klar vorne und Zork und Tachach hatten den gleichen Punktestand. Die Menge applaudierte und Baloric badete in dem Applaus.
Die letzte Disziplin, der Schwertkampf mit Schaukampfschwertern konnte beginnen. Die Regeln besagen hier, dass derjenige der den ersten Treffer abbekommt oder derjenige der zuerst den Kreis verlässt den Kampf verloren hat. Die Kontrahenten begannen sich aufzuwärmen. Der erste Kampf sollte der zwischen Baloric und Tachach sein. Baloric und Tachach nahmen in dem 6 Schritt durchmessenden Kreis Aufstellung. Beide streckten die Langschwerter aus und nach einer kurzen Berührung der Klingen begannen sie sich zu umkreisen. Mit einem kräftigen Schlag, den Tachach nur mit Mühe parieren konnte, zwang Baloric Tachach aus dem Kreis. Beide Wettkämpfer schüttelten sich nach dem kurzen Kampf die Hände. Nun machte sich Zork bereit, um mit Tachach den Kreis zu betreten. Nach einer kurzen Berührung der Schwerter versuchten sie, mit leichten Schlägen und Paraden Schwächen in der Abwehr ihres Gegners zu finden. Plötzlich machte Zork einen Schritt nach vorne und führte einen beidhändigen Stoß zur Brust von Tachach aus. Zork landete einen schweren Treffer auf der Brust von Tachach, der Tachach weit aus dem Kreis schleuderte. Zork verließ nun ebenfalls den Kreis um Tachach wieder auf die Beine zu helfen. Nun stand nur noch der Kampf zwischen Baloric und Zork aus. Nachdem die Beiden Aufstellung im Kreis bezogen hatten, streckten sie ihre Schwerter nach vorne aus. Wieder berührten sich die Schwerter in der Mitte und der Schwerttanz begann.
Mit einem lauten Schrei warf sich Zork auf Baloric und stieß ihm das Schwert in die Leisten. Siegessicher schaute Zork zum Herrscher auf. Teachdair erhob sich von seinem Thron und sprach mit lauter Stimme: "Mit solch einem unehrenhaften Schlag kann Zork den Sieg nicht für sich beanspruchen," und blickte dabei zu seinem Bruder Rowan. Rowan dachte kurz nach und erwiderte darauf: "Ich entscheide hiermit, dass dieser Kampf wiederholt wird. Dies soll zu unserer und zur Erbauung unserer Gäste geschehen."
Die Menge applaudierte und pfiff und tat so kund, dass sie zufrieden mit dieser Entscheidung war. Daraufhin nickte der Herrscher und nahm wieder auf seinem Thron Platz. Mit grimmigem Gesicht betrat Zork den Kreis und machte sich bereit, den Tanz der Schwerter erneut mit Baloric durchzuführen. Nur einen Sekunden Bruchteil nachdem sich die Schwerter in der Kreismitte berührt hatten, lag Baloric am Boden, außerhalb des Kreises. Er hatte den Schlag, der ihn den Sieg gekostet hatte nicht einmal kommen sehen. Mit seiner schieren Wildheit errang Zork hier den Sieg. Zork verbeugte sich vor seinem Herrscher und den Gästen und schulterte das Schwert. Danach stieß er einen lauten Siegesruf aus, in den die Garde der Gesichtslosen einfiel. Die Menge applaudierte.
Somit war es zu einem Gleichstand zwischen Zork und Baloric gekommen, die beide den gleichen Punktestand erreicht hatten. Gespannt wurde nun auf das Urteil der anwesenden Damen gewartet. Der Herrscher besprach sich mit den holden Damen aus den fernen Reichen. Die Damen entschieden sich für Zork Kilmarnock und der Herrscher verkündete: "Mein Volk, ihr Edlen aus allen Teilen der Welt, vernehmt das Zork Kilmarnock die Ehre hat, die Aufstände im Süden niederzuschlagen und er sich das Recht erworben hat den Titel des neuen Stadtherren zu führen." Applaus brandete auf und nach mehreren gellenden Siegesschreien von Zork war auch schon ein Gelage im Gange. Teachdair nutzte die Feier um sich mit den anwesenden Adligen aus den Reichen Erkenfaras über die Weltpolitik zu unterhalten.
Während der Feierlichkeiten machte sich Zork Kilmarnock davon und sammelte seine Männer um sich. Noch in der gleichen Nacht brachen die Gerfalken auf, um den Aufstand im Süden zu bekämpfen.