Hræsvelgr: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Hræsvelgr, der Leichenschlinger, sitzt am nördlichsten Ende des Himmelszelts, wo die Welt dem gähnenden Abgrund entgegenblickt. Dort, wo Wind und Tod sich begegnen, schlägt er mit gewaltigen Schwingen – und aus seinem Flug entstehen die Stürme, die über Erkenfara fegen. Manche sagen, er sei ein | + | [[Hræsvelgr]], der Leichenschlinger, sitzt am nördlichsten Ende des Himmelszelts, wo die Welt dem gähnenden Abgrund entgegenblickt. Dort, wo Wind und Tod sich begegnen, schlägt er mit gewaltigen Schwingen – und aus seinem Flug entstehen die Stürme, die über [[Erkenfara]] fegen. Manche sagen, er sei ein Jøtun, andere sprechen von einem uralten Tiergeist, der älter ist als selbst [[Odin]] weiß. |
− | In unserer Sprache heißt er Hræsvelgr – Hræ, das ist der tote Leib, und Svelgr, das ist der Verschlinger. Ein Name, der nicht leichthin ausgesprochen wird, denn er trägt das Echo des Endes. Wenn seine Schwingen rauschen, kauern sich die Hirten in ihren Hütten und die Schiffe kehren in die Fjorde zurück. | + | In unserer Sprache heißt er [[Hræsvelgr]] – Hræ, das ist der tote Leib, und Svelgr, das ist der Verschlinger. Ein Name, der nicht leichthin ausgesprochen wird, denn er trägt das Echo des Endes. Wenn seine Schwingen rauschen, kauern sich die Hirten in ihren Hütten und die Schiffe kehren in die Fjorde zurück. |
− | Hræsvelgr ist kein gewöhnlicher Adler. Er ist größer als ein Langschiff, sein Gefieder soll silbern sein wie die Schwerter der Walküren und schwarz wie der Rabenmantel | + | [[Hræsvelgr]] ist kein gewöhnlicher Adler. Er ist größer als ein Langschiff, sein Gefieder soll silbern sein wie die Schwerter der [[Walküren]] und schwarz wie der Rabenmantel [[Odin]]s. |
− | Wer den Himmel und das Meer kennt, weiß: Wenn der Sturm aus dem Norden kommt und die Bäume sich biegen wie niedere Knechte vor dem Jarl, dann ist Hræsvelgr geflogen. | + | Wer den Himmel und das Meer kennt, weiß: Wenn der Sturm aus dem Norden kommt und die Bäume sich biegen wie niedere Knechte vor dem [[Jarl]], dann ist Hræsvelgr geflogen. |
− | Er herrscht über die Winde, wie Thor über den Donner. Doch anders als der Donnergott zeigt sich Hræsvelgr nicht. Er ist eine Kraft, kein Gefolgsmann. Er trägt die Seelen der Gefallenen auf seinen Schwingen, fliegt über die Grabstätten und streut den Wind wie Runen über die Welt. | + | Er herrscht über die Winde, wie [[Thor]] über den Donner. Doch anders als der [[Thor|Donnergott]] zeigt sich [[Hræsvelgr]] nicht. Er ist eine Kraft, kein Gefolgsmann. Er trägt die Seelen der Gefallenen auf seinen Schwingen, fliegt über die Grabstätten und streut den Wind wie Runen über die Welt. |
− | In der Lehre der Druiden – und die alten Männer in den dunklen Wäldern | + | In der Lehre der Druiden – und die alten Männer in den dunklen Wäldern [[Nordheim]]s schwören darauf – ist [[Hræsvelgr]] auch ein Hüter der Schwelle. Dort, wo Leben in Tod übergeht, und wo der Schleier dünn ist, schwebt er über den Geistern, die noch nicht wissen, ob sie gen [[Hel]] oder [[Valhalla]] ziehen. |
− | Wer unter dem Zeichen | + | Wer unter dem Zeichen [[Hræsvelgr]]s geboren ist, so sagen die Seherinnen, trägt in sich die Gabe der Weite. Adler fliegen zu ihnen, Träume führen sie über Länder hinweg, und ihre Seelen hören den Ruf des Windes. Sie wandern, sie forschen, sie flüstern mit Tieren und deuten Zeichen, die anderen verborgen bleiben. |
− | Doch der Preis ist hoch: Die Nähe zu Hræsvelgr bedeutet auch Nähe zum Totenreich, zu Einsamkeit, zu unaufhörlicher Bewegung. | + | Doch der Preis ist hoch: Die Nähe zu [[Hræsvelgr]] bedeutet auch Nähe zum Totenreich, zu Einsamkeit, zu unaufhörlicher Bewegung. |
− | Junge Skalden und Gelehrte seien gewarnt: Hræsvelgr ist kein Götterfreund, aber auch kein Feind. Er ist ein Wesen, das jenseits von Gut und Böse weilt – wie das Meer, wie die Zeit. | + | Junge Skalden und Gelehrte seien gewarnt: [[Hræsvelgr]] ist kein Götterfreund, aber auch kein Feind. Er ist ein Wesen, das jenseits von Gut und Böse weilt – wie das Meer, wie die Zeit. |
− | Wer auf den Klippen steht und in den Sturm ruft, möge wissen, dass er | + | Wer auf den Klippen steht und in den Sturm ruft, möge wissen, dass er [[Hræsvelgr]]s Namen nicht achtlos ausspricht. Denn der Leichenschlinger vergisst nicht. |
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Version vom 25. Mai 2025, 22:26 Uhr
Hræsvelgr, der Leichenschlinger, sitzt am nördlichsten Ende des Himmelszelts, wo die Welt dem gähnenden Abgrund entgegenblickt. Dort, wo Wind und Tod sich begegnen, schlägt er mit gewaltigen Schwingen – und aus seinem Flug entstehen die Stürme, die über Erkenfara fegen. Manche sagen, er sei ein Jøtun, andere sprechen von einem uralten Tiergeist, der älter ist als selbst Odin weiß.
In unserer Sprache heißt er Hræsvelgr – Hræ, das ist der tote Leib, und Svelgr, das ist der Verschlinger. Ein Name, der nicht leichthin ausgesprochen wird, denn er trägt das Echo des Endes. Wenn seine Schwingen rauschen, kauern sich die Hirten in ihren Hütten und die Schiffe kehren in die Fjorde zurück.
Hræsvelgr ist kein gewöhnlicher Adler. Er ist größer als ein Langschiff, sein Gefieder soll silbern sein wie die Schwerter der Walküren und schwarz wie der Rabenmantel Odins.
Wer den Himmel und das Meer kennt, weiß: Wenn der Sturm aus dem Norden kommt und die Bäume sich biegen wie niedere Knechte vor dem Jarl, dann ist Hræsvelgr geflogen.
Er herrscht über die Winde, wie Thor über den Donner. Doch anders als der Donnergott zeigt sich Hræsvelgr nicht. Er ist eine Kraft, kein Gefolgsmann. Er trägt die Seelen der Gefallenen auf seinen Schwingen, fliegt über die Grabstätten und streut den Wind wie Runen über die Welt.
In der Lehre der Druiden – und die alten Männer in den dunklen Wäldern Nordheims schwören darauf – ist Hræsvelgr auch ein Hüter der Schwelle. Dort, wo Leben in Tod übergeht, und wo der Schleier dünn ist, schwebt er über den Geistern, die noch nicht wissen, ob sie gen Hel oder Valhalla ziehen.
Wer unter dem Zeichen Hræsvelgrs geboren ist, so sagen die Seherinnen, trägt in sich die Gabe der Weite. Adler fliegen zu ihnen, Träume führen sie über Länder hinweg, und ihre Seelen hören den Ruf des Windes. Sie wandern, sie forschen, sie flüstern mit Tieren und deuten Zeichen, die anderen verborgen bleiben.
Doch der Preis ist hoch: Die Nähe zu Hræsvelgr bedeutet auch Nähe zum Totenreich, zu Einsamkeit, zu unaufhörlicher Bewegung.
Junge Skalden und Gelehrte seien gewarnt: Hræsvelgr ist kein Götterfreund, aber auch kein Feind. Er ist ein Wesen, das jenseits von Gut und Böse weilt – wie das Meer, wie die Zeit.
Wer auf den Klippen steht und in den Sturm ruft, möge wissen, dass er Hræsvelgrs Namen nicht achtlos ausspricht. Denn der Leichenschlinger vergisst nicht.