Morbus geht ins Licht, oder auch nicht: Unterschied zwischen den Versionen

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(Kapitel 2: Im Regierungsviertel)
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Die Unverblümtheit der Jugend war immer wieder erfrischend. Zufrieden mit dem Verlauf des Nachmittags ging ich meiner Wege.<br>
 
Die Unverblümtheit der Jugend war immer wieder erfrischend. Zufrieden mit dem Verlauf des Nachmittags ging ich meiner Wege.<br>
  
== Kapitel 2: Im Regierungsviertel ==
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== Kapitel 2: Ein kleiner Stadtspaziergang durch Theosophia ==
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Nach einem kurzen Fußmarsch erreichte ich die Stadtmauern Theosophias. Natürlich befand sich das avallonische Handelskontor nicht innerhalb der Mauer;  die Sicherheit der Stadt wäre dadurch kompromittiert worden. Es handelte sich bei Avallon um einen Feindstaat, und erst seit dem Waffenstillstand war ein Handel wieder möglich.
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Außerdem hatte man sich in der Bevölkerung ein gesundes Misstrauen gegen Händler bewahrt, welche sich allzu oft beim Kampf um finanzielle Gewinne unlauterer Mittel bedienten. Ein solches Verhalten lag mir natürlich vollkommen fern. Einst war ich ständig auf der Flucht vor dem Gesetz, verfolgt von wütenden Opfern meiner geschäftlichen Aktivitäten, aber diese Zeit war vorbei. All die Dinge, welche mich in der Vergangenheit ständig in Schwierigkeiten gebracht hatten, waren für manche Lebensbereiche gerade zu der Schlüssel zum Erfolg. Lug und Trug wurde von der Gesellschaft geächtet, waren aber die Grundvoraussetzung für eine Karriere in der Spionage und im Handel. Das Erstere hatte ich probiert und damit meine Baronie verdient; das Letztere versorgte mich gerade mit einer recht zufriedenstellenden Profitmarge.
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Die Händler von Audvacar pressten die gesamte bekannte Welt aus und lebten in Saus und Braus, ohne das ihnen ständig böswillige Autoritäten  die Eingangstür eintraten. Dies sollte mein Vorbild für eine luxuriöse Zukunft sein.
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Das Stadttor war offen, und die Wachen winkten mich einfach durch. Vor wenigen Wochen wäre so etwas unvorstellbar gewesen. Aber der Waffenstillstand hatte durchaus seine Vorteile. Außerdem hatte ich in den letzten Jahren genau dieses Tor so oft durchschritten das man mich hier gut kannte. Allzu oft hatte ich Verwundetentransporte von der Front hierher begleiten müssen; eine wahrhaft deprimierende Tätigkeit.
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Beim Betreten der Stadt sah ich kurz nach oben zu dem ehernen Käfig, der über dem Tor als Memento Mori aufgehängt war. Auf einem rostigen Schild fand sich die Inschrift: „Gebrochen der Wille, gebrochen der Mensch, arme Kreatur.“ Einige verrottete Knochen am Boden des Käfigs zeugten davon, das einst in diesem Käfig jemand gefangen gehalten worden war. Welches Verbrechen war wohl derartig grausam gestraft worden? Ich könnte einen der Weisen Pedias fragen, aber deren Antwort war zumeist viel ausführlicher als nötig.
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Der Krieg hatte nicht nur in der Bevölkerung Spuren hinterlassen, sondern auch im Stadtbild. So war es leider nötig gewesen, alle Häuser abzureißen welche in Pfeilschussweite vor den Stadtmauern erbaut worden waren. In friedlicheren Zeiten war eine echte Bedrohung der Hauptstadt nicht erwartet worden, daher war man etwas zu nachlässig geworden wenn es um die Verteidigung ging. (Lediglich einige Gebetsstätten und Tempel waren verschont worden. Kriegszeiten waren kein guter Moment um unsere Götter zu verärgern.)
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Deren Baumaterial war benutzt worden um die Befestigungsanlagen der Stadt zu verstärken. Die heimatlos gemachten Bewohner lebten nun provisorisch in einigen Tempelanlagen innerhalb der Stadtmauern. Unsere Götter waren großzügige Gastgeber.
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Leider erschien die Weltlage aktuell nicht allzu rosig. Große Teile unseres Reichsgebietes waren entweder vom Feind besetzt oder vom Gegner bedroht. Die Nachrichtenlage aus den besetzten Gebieten war schwierig, aber angeblich war die Burg der Kreisritter erobert und geschleift worden. Eine solch traditionsreiche Burg zu verlieren war ein schwerer Schlag. Gleichzeitig hatte es allerdings dafür gesorgt, das die ständigen Belästigungen in meiner Baronie durch überhebliche und ziemlich humorfreie Kreisritter aufgehört hatten. Hätten diese ehrenwerten Ritter ihre Zeit damit verbracht, ihrer Burg einige Katapulte zu spendieren anstatt hart arbeitenden Raubrittern das Beutemachen auf den Handelswegen zu erschweren gäbe es vielleicht weiterhin eine Kreisritter-Burg. Unsere Götter helfen denen die sich selber helfen.
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Und dann war da natürlich noch die Pestilenz, welche sich wie Mehltau über die gesamte Welt gelegt hatte. Aber in der Baronie von Moribundi war die Bevölkerung schon an Seuchen krepiert bevor es Modern wurde; daher waren die Überlebenden abgehärtet und nicht leicht zu verschrecken. Da ich einen Teil meiner Profite für die Verbesserung der Infrastruktur einsetzte und kurzerhand einige der lästigeren Banditenbanden selbst angeheuert hatte um sie die Zollabfertigung übernehmen zu lassen begannen meine Untertanen zu glauben das mir an ihrem Wohlergehen aufrichtig etwas liegen würde. Dies erleichterte das Regieren erheblich.
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Im Augenblick war ich tatsächlich jemand, den man als „Stütze der Gesellschaft“ bezeichnen konnte. Ich führte das heimische Handelskontor, versorgte die Verwundeten in den Spitälern und begab mich immer wieder an die Front, um den Aufmarsch und die Rückzüge unserer Armee zu decken. Tatsächlich begann ich mich in dieser Rolle wirklich wohl zu fühlen. Als man mich einst zum Primas des Moribulus ernannte glaubte ich noch an einen bösen Scherz, den die Götter mir spielten. Schließlich war ich aus Maringola geflohen, um einem Leben im Dienste dieses Gottes zu entfliehen. Und trotzdem war dies nun seit Jahren meine Rolle und meine Aufgabe.  Doch was mir zunächst wie das Joch erschien welches man einem Karrenochsen umzulegen pflegt, begann mir zu gefallen. Und es erschien mir längst nicht mehr so schrecklich wie noch vor ein paar Jahren. Es war nicht länger zu leugnen das ich Weich wurde. Moribulus würde sich freuen.
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„Herr, Ihr werdet von Ursus erwartet.“
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Ein Wachposten salutierte vor mir und zeigte mit der Spitze seiner Hellebarde in die Richtung des Regierungssitzes.
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„Ah, welche Ehre. Dann sollte ich mich wohl umkleiden.“ Ich wollte in Richtung Moribulus-Tempel gehen, aber dort stand mir plötzlich ein zweiter Gardist im Weg. Und hinter Ihm sah ich einen Kampfmagier aus dem Nichts erscheinen, der mir kollegial zunickte und dann den Weg zu Ursus wies. Entweder hatte er Unsichtbar auf mich gewartet oder war herbei teleportiert um mich aufzuhalten. Vor meinem „Unfall“ auf dem Schlachtfeld hätte er sich ein solches Verhalten nicht getraut. Aber die Situation war nun Mal wie sie war.
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Offenbar war es nicht länger meine Entscheidung wohin mich meine Schritte führten. Da konnte ich zumindest so tun als ob käme ich freiwillig mit. Und sei es nur, damit ich sie später mit einem Fluchtversuch überraschen konnte.
  
  
 
[[Kategorie:Theostelos]]
 
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[[Kategorie:Erzählung]]
 
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Version vom 11. Juli 2022, 14:06 Uhr

Kapitel 1: Im Handelskontor

„Mein werter Morbus, euer Amulett hat sicherlich seinen Wert, aber ich habe für unser magisches Schwert andere Pläne. Da werden wir nicht ins Geschäft kommen.“
Der Handelsmeister Avallons zuckte mit den Achseln. Das war schade, denn der Adel unseres Reiches war inzwischen mit unseren Schutz-Amuletten wohl versehen. Bei magischen Waffen sah das noch anders aus.

Bedauernd nickte er mir zu. „Außerdem muss ich jetzt zu einer kleinen Jagdpartie aufbrechen. Die Rehe im Revier nehmen Überhand. Daher muss ich unser Gespräch jetzt beenden.“
„Reisende soll man nicht aufhalten, das lehrt uns die Göttin Aida. Dann wünsche ich euch viel Glück mit euren Rehen…“
Und mit dem Honig, wenn man den Gerüchten glauben wollte.

Die kleinen avallonischen Jagdpartien hatten interessante Erzählungen ausgelöst darüber, was da wirklich gejagt wurde. Es war wohl besser das Thema nicht zu sehr zu vertiefen.

Wir verabschiedeten uns freundschaftlich und ich ging durch das Tor des avallonischen Kontors nach draussen. Dann umrundete ich die Wehrmauern, schlich mich zurück durch die kleine Seitenpforte und wartete im Schatten eines Zeltes bis der Handelsmeister hoch zu Ross in Richtung Jagdrevier aufgebrochen war.

Dann begab ich mich zur Handelsstube des Kontors. Dort sprach ich die Anwesenden an:
„Wohlan, werte Herren, ich bin mit dem Handelsmeister verabredet.“

Ein junger Mann in praktischer Gewandung verbeugte sich leicht.
„Da habt Ihr leider Pech, mein Meister ist in Geschäften unterwegs und wird einige Tage nicht verfügbar sein.“

„Oh, das ist aber ärgerlich.“
Ich machte ein überraschtes Gesicht und schüttelte den Kopf.

„Er hatte mir versprochen auf mich zu warten. Das ist kein vernünftiges Geschäftsgebaren von seiner Seite, ich habe meine anderen Geschäfte vernachlässigt nur um mit ihn zu reden.“

Das stimmte sogar, der Meister hatte tatsächlich versprochen auf mich zu warten. Und er hatte sein Versprechen gehalten, denn wir hatten ja miteinander geredet. Aber ich war trotzdem mit seinem Geschäftsgebaren unzufrieden. Wie konnte er ein Geschäft ablehnen an dem ich ein Interesse hatte? So etwas war zutiefst ungehörig.

„Vielleicht kann ich euch ja helfen, Herr Morbus?“
Zumindest kannte der Geselle meinen Namen. Aber ich hatte ebenfalls meine Vorbereitungen getroffen. „Ihr seid Cyan, nicht wahr?“

„Fast richtig ausgesprochen, ja.“

„Vielleicht könnt ihr das tatsächlich, Mir helfen meine ich.“
Ich zog eine Schatulle aus Rosenholz hervor und öffnete es mit der gebührenden Sorgfalt.

„Seht dieses magische Amulett. Euer Meister und ich waren an einem Tauschgeschäft interessiert.“

Zumindest für Einen von uns beiden traf das auch zu. Cyan begutachtete das Amulett fachmännisch. „Das ist gute Handwerkskunst.“

„Wir benutzen nur feinste Materialien, und unser handwerkliches Geschick wird nur noch von unseren Kenntnissen der Magie übertroffen. Niemand sonst ist in der Lage ein solches Meisterwerk zu schaffen.“

Nicht bis jemand herausfand wie man mit Spinnenseide Schutzsprüche in Mithril verweben konnte. Aber unsere Magiergilde würde Töten um dieses Geheimnis vor Fremden zu schützen.

„Nun, was genau ist seine magische Macht?“

„Es spiegelt feindliche Zauber auf den Verursacher zurück. Dieses Amulett ist nicht nur sehr kleidsam (und Frauen mögen Qualität, zwinker zwinker) sondern auch ein echter Lebensretter. Und wenn ich sage Lebensretter, dann meine ich LEBENRETTER in Großbuchstaben. Ich stehe nur noch hier weil ich Eines bei mir hatte. Ich hatte einen Dämonen in einem Taschenuniversum gefangen, aber ihm gelang es mich ebenfalls hinein zu ziehen. Ich war bereits erschöpft und fast tot. Aber nachdem er seinen härtesten Zauber auf mich abschoss und die Wirkung selbst abbekam habe ich überlebt und er nicht.“
Die Geschichte stimmte sogar.

„Das hört sich interessant an. Ich sollte das Amulett selbst nehmen. Ich bin ja nicht nur Händler, sondern auch Abenteurer.“

Ich nickte ihm begeistert zu. „Ah, natürlich seid ihr das. Auch ich war Das einst, aber dann bekam ich ein Pfeil ins Knie. Es ist also abgemacht, das Amulett gegen das Schwert?“

Cyan wollte mir die Hand reichen, aber dann wurden wir unterbrochen.

„Nicht ganz so schnell. Ich habe da noch ein paar Fragen.“
Eine weibliche Stimme ertönte hinter mir. Ich erkannte sie als die Mutter Cyans.

Ich drehte mich um und verbeugte mich galant, was es mir erleichterte meine Gesichtszüge von Ärger zurück auf liebenswürdige Freundlichkeit umzustellen.

„Ich antworte gerne auf alle Fragen. Bei einem solchen Premium Produkt habe ich so Gelegenheit endlich einmal so richtig angeben zu können.“

„Solche Gelegenheiten sind euch bekannter Weise willkommen. Nun denn, muss das Amulett an eine Person gebunden werden?“

„Ja, das ist aber leicht zu bewerkstelligen. Ich kann das Ritual gleich hier für euren Sohn durch führen wenn er dies wünscht.“

„Damit ist es also unverkäuflich sobald es gebunden ist?“

„Ja, aber wer würde sich denn von einem solchen Schutz freiwillig wieder trennen wollen? Außerdem ist das eher ein weiterer Vorteil für den Eigentümer: für Diebe ist das Amulett uninteressant.“

Aus einem Nachteil ein Verkaufsargument zu machen war das kleine Einmaleins des Handels.

„Ich nehme das Amulett.“ Cyan schüttelte mir energisch die Hand. „Bitte führt das Ritual durch.“

„Aber gerne doch. Seht Ihr die Einkerbung auf der Rückseite? Dort müsst ihr Einfach etwas Blut hinein geben. Ein Haar oder ein Fingernagel reicht aber auch.“


Nachdem Cyan mir das magische Schwert übergeben hatte ging ich meiner Wege. Ich hörte noch wie Cyans Mutter ihm Vorhaltungen machte.

„Was ist wenn der Meister schon Abnehmer für das Schwert hatte?“

„Mama, dann hat er einfach Pech.“

Die Unverblümtheit der Jugend war immer wieder erfrischend. Zufrieden mit dem Verlauf des Nachmittags ging ich meiner Wege.

Kapitel 2: Ein kleiner Stadtspaziergang durch Theosophia

Nach einem kurzen Fußmarsch erreichte ich die Stadtmauern Theosophias. Natürlich befand sich das avallonische Handelskontor nicht innerhalb der Mauer; die Sicherheit der Stadt wäre dadurch kompromittiert worden. Es handelte sich bei Avallon um einen Feindstaat, und erst seit dem Waffenstillstand war ein Handel wieder möglich.

Außerdem hatte man sich in der Bevölkerung ein gesundes Misstrauen gegen Händler bewahrt, welche sich allzu oft beim Kampf um finanzielle Gewinne unlauterer Mittel bedienten. Ein solches Verhalten lag mir natürlich vollkommen fern. Einst war ich ständig auf der Flucht vor dem Gesetz, verfolgt von wütenden Opfern meiner geschäftlichen Aktivitäten, aber diese Zeit war vorbei. All die Dinge, welche mich in der Vergangenheit ständig in Schwierigkeiten gebracht hatten, waren für manche Lebensbereiche gerade zu der Schlüssel zum Erfolg. Lug und Trug wurde von der Gesellschaft geächtet, waren aber die Grundvoraussetzung für eine Karriere in der Spionage und im Handel. Das Erstere hatte ich probiert und damit meine Baronie verdient; das Letztere versorgte mich gerade mit einer recht zufriedenstellenden Profitmarge.

Die Händler von Audvacar pressten die gesamte bekannte Welt aus und lebten in Saus und Braus, ohne das ihnen ständig böswillige Autoritäten die Eingangstür eintraten. Dies sollte mein Vorbild für eine luxuriöse Zukunft sein.

Das Stadttor war offen, und die Wachen winkten mich einfach durch. Vor wenigen Wochen wäre so etwas unvorstellbar gewesen. Aber der Waffenstillstand hatte durchaus seine Vorteile. Außerdem hatte ich in den letzten Jahren genau dieses Tor so oft durchschritten das man mich hier gut kannte. Allzu oft hatte ich Verwundetentransporte von der Front hierher begleiten müssen; eine wahrhaft deprimierende Tätigkeit.

Beim Betreten der Stadt sah ich kurz nach oben zu dem ehernen Käfig, der über dem Tor als Memento Mori aufgehängt war. Auf einem rostigen Schild fand sich die Inschrift: „Gebrochen der Wille, gebrochen der Mensch, arme Kreatur.“ Einige verrottete Knochen am Boden des Käfigs zeugten davon, das einst in diesem Käfig jemand gefangen gehalten worden war. Welches Verbrechen war wohl derartig grausam gestraft worden? Ich könnte einen der Weisen Pedias fragen, aber deren Antwort war zumeist viel ausführlicher als nötig.

Der Krieg hatte nicht nur in der Bevölkerung Spuren hinterlassen, sondern auch im Stadtbild. So war es leider nötig gewesen, alle Häuser abzureißen welche in Pfeilschussweite vor den Stadtmauern erbaut worden waren. In friedlicheren Zeiten war eine echte Bedrohung der Hauptstadt nicht erwartet worden, daher war man etwas zu nachlässig geworden wenn es um die Verteidigung ging. (Lediglich einige Gebetsstätten und Tempel waren verschont worden. Kriegszeiten waren kein guter Moment um unsere Götter zu verärgern.) Deren Baumaterial war benutzt worden um die Befestigungsanlagen der Stadt zu verstärken. Die heimatlos gemachten Bewohner lebten nun provisorisch in einigen Tempelanlagen innerhalb der Stadtmauern. Unsere Götter waren großzügige Gastgeber.

Leider erschien die Weltlage aktuell nicht allzu rosig. Große Teile unseres Reichsgebietes waren entweder vom Feind besetzt oder vom Gegner bedroht. Die Nachrichtenlage aus den besetzten Gebieten war schwierig, aber angeblich war die Burg der Kreisritter erobert und geschleift worden. Eine solch traditionsreiche Burg zu verlieren war ein schwerer Schlag. Gleichzeitig hatte es allerdings dafür gesorgt, das die ständigen Belästigungen in meiner Baronie durch überhebliche und ziemlich humorfreie Kreisritter aufgehört hatten. Hätten diese ehrenwerten Ritter ihre Zeit damit verbracht, ihrer Burg einige Katapulte zu spendieren anstatt hart arbeitenden Raubrittern das Beutemachen auf den Handelswegen zu erschweren gäbe es vielleicht weiterhin eine Kreisritter-Burg. Unsere Götter helfen denen die sich selber helfen.

Und dann war da natürlich noch die Pestilenz, welche sich wie Mehltau über die gesamte Welt gelegt hatte. Aber in der Baronie von Moribundi war die Bevölkerung schon an Seuchen krepiert bevor es Modern wurde; daher waren die Überlebenden abgehärtet und nicht leicht zu verschrecken. Da ich einen Teil meiner Profite für die Verbesserung der Infrastruktur einsetzte und kurzerhand einige der lästigeren Banditenbanden selbst angeheuert hatte um sie die Zollabfertigung übernehmen zu lassen begannen meine Untertanen zu glauben das mir an ihrem Wohlergehen aufrichtig etwas liegen würde. Dies erleichterte das Regieren erheblich.

Im Augenblick war ich tatsächlich jemand, den man als „Stütze der Gesellschaft“ bezeichnen konnte. Ich führte das heimische Handelskontor, versorgte die Verwundeten in den Spitälern und begab mich immer wieder an die Front, um den Aufmarsch und die Rückzüge unserer Armee zu decken. Tatsächlich begann ich mich in dieser Rolle wirklich wohl zu fühlen. Als man mich einst zum Primas des Moribulus ernannte glaubte ich noch an einen bösen Scherz, den die Götter mir spielten. Schließlich war ich aus Maringola geflohen, um einem Leben im Dienste dieses Gottes zu entfliehen. Und trotzdem war dies nun seit Jahren meine Rolle und meine Aufgabe. Doch was mir zunächst wie das Joch erschien welches man einem Karrenochsen umzulegen pflegt, begann mir zu gefallen. Und es erschien mir längst nicht mehr so schrecklich wie noch vor ein paar Jahren. Es war nicht länger zu leugnen das ich Weich wurde. Moribulus würde sich freuen.


„Herr, Ihr werdet von Ursus erwartet.“

Ein Wachposten salutierte vor mir und zeigte mit der Spitze seiner Hellebarde in die Richtung des Regierungssitzes. „Ah, welche Ehre. Dann sollte ich mich wohl umkleiden.“ Ich wollte in Richtung Moribulus-Tempel gehen, aber dort stand mir plötzlich ein zweiter Gardist im Weg. Und hinter Ihm sah ich einen Kampfmagier aus dem Nichts erscheinen, der mir kollegial zunickte und dann den Weg zu Ursus wies. Entweder hatte er Unsichtbar auf mich gewartet oder war herbei teleportiert um mich aufzuhalten. Vor meinem „Unfall“ auf dem Schlachtfeld hätte er sich ein solches Verhalten nicht getraut. Aber die Situation war nun Mal wie sie war. Offenbar war es nicht länger meine Entscheidung wohin mich meine Schritte führten. Da konnte ich zumindest so tun als ob käme ich freiwillig mit. Und sei es nur, damit ich sie später mit einem Fluchtversuch überraschen konnte.