Der Umsturz

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von Firlefanz von Firle-Fanta

Ein schöner Herbsttag heute. Warme Sonnenstrahlen erhellen diese Welt, die sich in diesen Tagen etwas bunter gibt als sonst. Von meinem Fenster aus, kann ich das muntere Treiben auf Firle-Fanta beobachten. Geräusche aus Schmiede, Stall, Küche und Schreinerei mischen sich mit den Kommandos der Soldaten, dem Feilschen der Händler und dem kleinen Schwatz unter Freunden. Es liegt eine gelöste, fröhliche Stimmung in der Luft.

Doch das war nicht immer so.

Gleich nach der Errichtung dieser Burg erreichte mich durch den Ratten-Express eine traurige Nachricht: Angehörige meines Volkes wurden als Zielmarkierungen zur Einstellung von Katapulten benutzt!

Fast gleichzeitig mit dem Bedauern der Regierung, daß einige Kobolde beim Test einer neuen Waffe gestorben seien, tauchte in den Kneipen der Oger und Orks die Speise “Kobold in Aspik“ auf. Meine Protestbriefe an den Regenten blieben allerdings ohne Antwort und Wirkung.

Stattdessen lobte man meinen Burgbau als heroische Tat zur Verteidigung der Dynastie und Erhaltung ihrer Kultur. Als Auszeichnung wurde ich zum Generaldespoten ernannt.

Wenig später wurden Bewohner meines Lehensgebietes zur „Befriedigung der Bedürfnisse von Ogern und Orks“ abberufen. Viele sah ich nie wieder. Von einem, der Monate später wieder in seine Heimat gelangte, erfuhr ich von seiner Versklavung, seinen Leiden und seiner Flucht.

Nun war das Maß übervoll!

Bis dahin hatte ich nur einen Teil der Lieferungen, die für die Regierung bestimmt waren, umgeleitet und der Bevölkerung zurückgegeben. Meiner Bitte um mehr Soldaten zur Bekämpfung von Räuberbanden, war nachgekommen worden.

Nun aber entschloß ich mich, ein Bündnis mit Zwergen und Elfen zum Sturz der Regierung einzugehen! Bevor es allerdings zu einem Treffen mit Grimbart Bolzenschneider und Armath Ardan kam, hatte ich noch einige Zeichen zu setzen. Ich verbot per Erlaß die Sklaverei in meinem Lehen, ließ die Verbindungsmänner zur Regierung verhaften und falsche Depeschen an die Regierung schicken, damit diese nicht mißtrauisch wurde. Dabei war es von Vorteil, daß Angehörige meines Volkes Zugang zu wichtigen Informationen der Oger und Orks fanden. Ebenso konnten Kobolde wichtige Verteidigungspunkte in der Hauptstadt Athibulus auskundschaften.

Und der Ratten-Express funktionierte tadellos.

Dann erst machte ich mich auf, um mit Grimbart Bolzenschneider und Armath Ardan einen Plan zum Sturz der Regierung zu schmieden. Als Treffpunkt war eine drittklassige, heruntergekommene Schenke ausgewählt worden. Auf dem Weg dorthin vermied ich jeden Kontrakt mit der Bevölkerung, um unser Unternehmen nicht schon im Ansatz zu gefährden.

Als ich an der Schenke ankam und das Hinterzimmer betrat, war Grimbart Bolzenschneider und Armath Ardan schon anwesend. Sie standen vor einem grob gezimmerten Tisch, auf dem die Karte der Dynastie lag. Die Karten der Nachbarreiche befanden sich auf dem umstehenden Schemeln und Bänken. Nachdem ich das Zimmer verschlossen hatte, erklärte mir Grimbart Bolzenschneider den derzeitigen Stand der Truppen.

Danach berieten wir, wie wir den Umsturz in die Tat umsetzen wollten.

Eines war uns ziemlich schnell klar: der Umsturz mußte möglichst bald und sehr schnell erfolgen. Vielleicht hatten die Reiche, die sich von der Außenpolitik der “Dynastie“ beleidigt sahen, schon einen Feldzug gegen uns in Vorbereitung. Wir durften also unsere Truppen gar nicht in einem Bürgerkrieg ausbluten lassen, da unser Land dann möglicherweise von fremden Heeren überannt worden wäre.

Es mußten also möglichst gleichzeitig Steinschlag-Ogerus Oe gich Ka´laal und Nackenbeißer Uulkau auf Eis gelegt werden und ihre Verbindungen zu den Heeren unterbunden werden. Weiterhin mußten wir im Falle des Erfolges schnell die Kunde vom Sturz der Regierung verbreiten.

Somit begann der Plan des Umsturzes! „Die Zwergen- und Elfengarden werden die Reichshauptstadt Athibulus einnehmen!“, verkündeten Grimbart und Armath im Gefühl des sicheren Sieges. Ich verwies jedoch darauf, daß ein Sturm auf Athibulus bei vorbereiteter Verteidigung selbst für die Zwergen- und Elfengarden reiner Selbstmord wäre. Vielmehr wollte ich versuchen, unsere Truppen unter Nutzung der Informationen meines Volkes einen Zugang in die Hauptstadt zu verschaffen. Oder zumindest einen Schwachpunkt in der Verteidigung herbeizuführen.

Weiterhin galt es herauszufinden, wann sich Ogerus und Uulkau zu einer „Unterredung“ trafen, die ihre Aufmerksamkeit durch Alkoholeinfluß mindern würde. Umso besser, wenn dies außerhalb von Athibulus geschah.

Während ich mich also um die verteidigenden Truppen von Athibulus kümmerte, stellten Grimbart und Armath ihre Truppen auf und sahen sich nach weiteren Verbündeten um. Mit diesen Plänen in unsren Köpfen und Freundschaft in unseren Herzen, gingen wir auseinander.

Auf meinem Weg nach Firle-Fanta ging ich zwar jedermann aus dem Weg, wäre aber beinahe von einem Trupp Orks gefangen worden, der im Hinterhalt lauerte.

Glücklich in Firle-Fanta angekommen, sandte ich sofort Briefe mit dem Ratten-Express nach Athibulus. Die Kobolde, die diese Briefe erhielten, sollten die Hauptstadt und ihre Verteidigung ausspionieren.

Nach knapp einer Woche erhielt ich die gewünschte Informationen. Es wurde ein zweites Treffen mit Grimbart und Armath vereinbart. Als Ort diente wieder das Hinterzimmer jener heruntergekommenen Schenke, deren Namen ich nicht nennen will, um den Besitzer vor übelgelaunten Ogern und Orks zu schützen.

Wieder vermied ich auf dem Weg zum Treffpunkt jede Begegnung mit der einheimischen Bevölkerung.

Diesmal war ich der Erste. Grimbart Bolzenschneider und Armath Ardan kamen erst am darauf folgenden Tag. Sie brachten jedoch jemanden mit.

Er stellte sich als Fürst Haifar vor. Seine Heimatstadt war von den Orks übernommen und zur Festung ausgebaut worden. Seitdem befand sich seine Sippe mit den Orks im verdeckten Krieg. Er wollte die Gunst der Stunde und des Schicksals nutzen und verbündete sich mit uns.

Außerdem hatte er herausbekommen, daß Ogerus und Uulkau sich in näherer Zukunft treffen wollten.

„Der Kopf des Orks gehört mir!“, sagte er grimmig. „An der Spitze meiner Truppen werde ich den Oger und den Ork in ihrem Bau erledigen.“ Nun gut; das Problem hatte er uns somit abgenommen.

„Die Elfengarden stehen bereit, um gemeinsam mit den Kriegern der Zwerge Athibulus zu erobern.“, sagte Armath voller Stolz.

Grimbart verkündete: „Die Zwergenkrieger sind bereit für die Aufgabe, das Land von der Herrschaft der Oger und Orks zu befreien.“

„Und ich werde euch mit Hilfe meines Volkes die Tore von Athibulus öffnen. Dann können sich Grimbarts Zwerge und Armaths Elfen mit den Verteidigern herumschlagen und beweisen, daß sie das Wert sind, was ihre Könige von ihnen behaupten.“

Diese Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen und ich erntete die abwertenden Blicke von Armath und Grimbart.

„Mach du uns erst mal die Tore auf!“, meine Armath. „Wenn du das überhaupt zustande bringst.“

„Keine Sorge!“, meinte ich beleidigt.

„Wenn es mir nicht gelingt, könnt ihr euch immer noch an den Stadtmauern die Schädel einschlagen lassen!“

„Wir werden eine offene und ehrliche Schlacht austragen, und nicht wie ihr Kobolde in das nächste Versteck eilen.“ Die Worte von Grimbart hatten einen verächtlichen Unterton.

„Ich werde meinen Teil zu der Eroberung von Athibulus beitragen und damit viele eurer Krieger am Leben erhalten. Ich werde euch den Weg in die Stadt öffnen. Sorgt ihr mit euren Truppen dafür, daß Athibulus erobert wird!“

Ich war nun meinerseits zornig.

Das Volk der Kobolde wird auch von den langlebigen Völkern der Elfen und Zwerge nicht für gleichwertig gehalten.

Nun gut, ich kann damit leben. Sollen sich doch die stolzen Elfen und Zwerge mit den Ogern und Orks herumschlagen. Wenn sie so scharf darauf sind, sich selber umzubringen. Ich werde sie nicht davon abhalten.

Wir besprachen noch einige andere Angelegenheiten und setzten einen Zeitpunkt fest, an dem Athibulus angegriffen werden sollte.

Dann gingen wir unserer Wege. Sobald ich in Firle-Fanta ankam, scharte ich einige meines Volkes um mich. Einigen davon gab ich Anweisungen, die sie im Falle der Niederlage der Verschwörung befolgen sollten. Mit dem Rest machte ich mich auf den Weg nach Athibulus, der Hauptstadt.

In unserem Gepäck befanden sich neben unserem eigenen Proviant, auch die Schlüssel zu so manchem Weinkeller in Athibulus, ein paar Hundert kleine Fähnchen und ein paar Schriftbändern, auf denen „Hoch den Unabhängigen Königreichen!“ stand.

Nach einigen Tagen voller Strapazen und unruhiger Nächte erreichte ich mit meinem Gefolge Athibulus. Es gelang uns, ungesehen in die Stadt einzudringen.

Während der nächsten Tage gelang es uns, den Wein- und Biervorrat von so manchem Keller zu verringern. Doch diese Getränke waren nicht für uns bestimmt. Mit ihnen füllten wir die Wachtruppen der Oger und Orks in der Nacht vor dem Angriff der Elfen und Zwerge auf Athibulus ab.

Außerdem ließ ich in der Stadt die mitgeführten Fähnchen an die Bevölkerung verteilen. Ich ließ den Leuten erzählen, daß morgen ein Feiertag sei, an dem die Zwerge und Elfen eine große Parade abhalten würden, die schon in den frühen Morgenstunden beginne. Kurz vor Sonnenaufgang, die Stadt erwachte gerade zum Leben, begab ich mich mit den Angehörigen meines Volkes zum Haupttor. Die Wachen dort schliefen erwartungsgemäß. Das lag nicht allein am übermäßigen Alkoholgenuß. Ihre Getränke hatte ich vorsorglich mit etwas Schlaftropfen gestreckt. Sie würden nicht einmal erwachen, wenn man das Tor vor ihnen mitsamt der Mauer abreißen würde.

Ein Blick nach draußen zeigt, daß die Zwergen- und Elfengarden schon auf Athibulus zumarschierten.

Es verlief alles nach den traditionellen Regeln: Ein „Was wollt ihr?“ der wachhabenden Orks auf der Mauer wurde mit einem Pfeilhagel aus Elfenbögen und Zwergenarmbruste beantwortet. Das darauf folgende Alarmgeschrei ließ die trunkenen Orks und Oger auf die Mauer rennen, um den einsetzenden Sturm auf Athibulus abzuwehren.

Es begann der Kampf um Athibulus.

Die Torwache bekam von all dem nicht das geringste mit. Inzwischen hatte sich auch schon eine große Anzahl Menschen bei dem Tor versammelt.

Während draußen der Kampf um die Stadtmauer immer unerbittlicher wurde, ließ ich die Bürger sich in Reihen zu beiden Seiten der Straßen aufstellen.

Als die erste Angriffswelle ernsthafte Verluste zu erleiden drohte, ließ ich noch einmal das Schwenken der Fähnchen proben. Die Zwergen- und Elfengarden zogen sich gerade von der Mauer zurück, als ich das Tor öffnen ließ.

Verdutzt blickten sowohl Elfen als auch Zwerge, Oger wie Orks auf die jubelnde Masse, die aus dem offenen Tor herausströmte. Schlagartig hörten alle Kämpfe auf. Ich eilte Grimbart und Armath entgegen, denen die Verwunderung immer noch anzumerken war.

„Was soll das denn?“, fragte Grimbart erstaunt. „Zivilisten haben bei einer Schlacht nichts zu suchen!“, bemerkte Armath.

„Und warum jubeln die denn? Das passiert doch immer erst, wenn die Schlacht vorbei ist.“ Grimbart konnte das soeben Geschehene nur schwer begreifen.

„Die Schlacht ist vorbei!“, verkündete ich. „Und wir haben gewonnen.“

„Aber das entspricht gar nicht den traditionellen Regeln!“ Grimbart und Armath sprachen die Worte wie aus einem Mund.

„Das ist doch vollkommen egal!“, brüllte ich. „Jetzt seht zu, daß ihr die verteidigenden Oger und Orks gefangen nehmt. Die kommen sonst noch auf die Idee, weiterzukämpfen. Und seht zu, daß ihr eine ordentliche Parade zustande kriegt. Das erwarten die Leute jetzt von euch.“ „Da müssen sich meine Leute aber erst noch die Rüstungen reinigen.“, meinte Grimbart.

„Von einem sauberen Äußeren und der Haarpflege ganz zu schweigen.“, fügte Armath hinzu. „Dazu ist jetzt keine Zeit. Allerhöchstens nur Rüstungen gerade rücken und mit den Fingern durchs Haar fahren. Aber zuerst solltet ihr den Verteidigern die Waffen abnehmen!“ Es schien mir dazu Eile geboten.

Es gelang den beiden Königen ziemlich schnell, ihre Truppen einzuweisen. Während ein Teil sich zu einer Parade aufstellte, verhaftete der andere Teil der Truppen die verteidigenden Orks und Oger. Diese hatten immer noch nicht die Lage durchschaut und ließen sich in dem Glauben in die Kerker werfen, sie hätten die Schlacht durch einen dummen Zufall verloren.

Derweil zogen Grimbart, Armath und ich an der Spitze von Zwergen- und Elfengarden und dem Koboldtrupp in einer großen Parade durch die Straßen von Athibulus. Das Volk jubelte uns zu.

Am Nachmittag erreichte uns ein Bote mit der Nachricht, daß Haifar Uulkau erschlagen und Ogerus gefangen hatte. Nun kannte der Jubel und die Freude keine Grenzen mehr.

Unsere Sache hatte gesiegt!